Inhaltsverzeichnis
- Den Körper bewusst wahrnehmen
- Körperwahrnehmung im Coaching
- Reden reicht nicht – Körperwahrnehmung
- Körperorientiert Lösungen finden
- Erleben bewusst machen
- Erleben und / oder Verhalten ändern
- Embodiment – irgendwas mit Körper
- Embodiment in der Psychologie
- Was Embodiment nicht ist
- Nicht neu
- Nicht einheitlich und klar definiert
Den Körper bewusst wahrnehmen
Was denkst du so, wenn du somatisches, also körperorientiertes, Coaching hörst? Sport, Massage, Yoga – muss man sich da ausziehen?
Das kann alles dazu gehören. Grundsätzlich aber, und so auch in meiner Arbeit, geht es schlicht darum, den Körper in Veränderungsprozesse bewusst miteinzubeziehen.
Das ist nicht nur hilfreich für einen souveränen Umgang mit Gefühlen und schwierigen Situationen, sondern mit Zeit und Übung auch für ein ganz neues Alltagserleben: Den Körper endlich vollständig „bewohnen“ zu können, bedeutet Selbstermächtigung und mehr Handlungsfähigkeit.
Im Coaching wird dafür die Aufmerksamkeit bewusst auf Empfindungen im Körper bzw. seine unmittelbare Umgebung gelenkt. Das kann durch Bewegungen und (Selbst-)Berührung unterstützt werden.
Körperwahrnehmung im Coaching
Reden reicht nicht – Körperwahrnehmung
Erst dein Körper erzählt, was etwas für dich tatsächlich bedeutet. Das geht weit über die theoretischen Bewertungen oder Abwägungen einzelner Gedanken hinaus und ist Basis deines Erlebens.
In Therapie, Coaching und ähnlichem wird häufig noch immer versucht, Veränderungen und Lösungen ausschließlich über analytische Gespräche zu erreichen. Das wird dann mühsam und scheitert, wenn Probleme in einem nicht bewussten, schwer zugänglichem Bereich liegen und / oder der Körper sehr stark und automatisiert agiert. Dem sind wir mit einer rationalen Analyse nicht gewachsen.
Ein Beispiel: Stell dir vor, du hast einen neuen Job angenommen, den du theoretisch super findest. Trotzdem ist dir jedesmal übel, wenn du dein Büro betrittst und du kriegst Schweißausbrüche. Du hast keine Anhaltspunkte, warum das so ist, weißt nicht was du tun sollst und klar denken kannst du in diesen Momenten sowieso nicht mehr. Du willst, das sich das so schnell wie möglich ändert.
An dieser Stelle haben bestimmte Prozesse deines Körpers „übernommen“ und sowohl Ursache als auch Lösung liegen zu einem großen Teil im Verborgenen. Dort lässt sich körperorientiert direkt ansetzen:
Körperorientiert Lösungen finden
Erleben bewusst machen
In obigem Beispiel würden wir uns in einer Session zunächst der Situation nähern. Über die Erinnerung an das Erleben lässt sich quasi in Zeitlupenach verfolgen, wann, wie, wodurch und wozu sich „es ist alles in Ordnung“ zu „es ist gar nichts in Ordnung“ verändert.
Im Zentrum steht das körperliche Spüren, Gefühle und Gedanken schließen sich an: Sagen wir in diesem Beispiel drückt und zieht es im Magen, als ob ein grauer, zäher Klumpen darin läge, während sich Übelkeit und Angst breitmachen.
Die Beschreibung dessen, was im Detail passiert, z. B. in Form von Metaphern, ist meistens sehr exakt möglich und in sich logisch – wem wäre mit einem grauen, zähen Klumpen im Magen nicht übel? Automatisierte Vorgänge im Verborgenen werden Stück für Stück bewusst „anfassbar“. Das ist die Voraussetzung, um gut damit zu arbeiten.
Bereits hier zeigen sich Ansatzpunkte zu einem veränderten Umgang mit der Situation. Geeignete Forschungsfragen wären an dieser Stelle z. B.:
- Was wünschst du dir in Bezug auf diesen Klumpen?
- Mit welchen Gefühlen und Gedanken geht das einher?
- Wie könnte er sich so verändern, dass er keine Übelkeit mehr verursacht?
- Was passiert, wenn du eine Hand auf deinen Magen legst?
- Was spürst du jetzt?
Du siehst hier, dass zwar immer noch gesprochen wird, aber es ist eng verwoben mit einer bewussten Körperwahrnehmung und schließt an eine tiefliegende Ebene an.
Erleben und / oder Verhalten ändern
Nach und nach lassen sich so Antworten finden. Sie ermöglichen sehr konkrete und körperlich verankerte Veränderungen im Erleben und anschließend auch im Verhalten. Hier könnten z. B. bestimmte Bewegungen dazu führen, dass sich der Klumpen löst, die Übelkeit abnimmt und wieder ein klares Denken möglich ist.
Sollte er wieder auftreten, ist bereits eine Möglichkeit erprobt, wie das Erleben eigenständig verändert werden kann. Darüber hinaus geht es darum, herauszuarbeiten, wie sich dieses Muster verhindern lässt – oder wie die Situation selbst verändert werden muss.
Diese Herangehensweise ist oft ungewohnt, weil sie von unserem alltäglichen Fokus abweicht und manchmal fast träumerisch wirken kann. Diese Vorgänge sind rational anfangs kaum verständlich und viele haben die Sorge sich „nur etwas einzubilden“.
Daher ist es wichtig, immer wieder den Bogen zum gewöhnlichen Denken, Wahrnehmen und in den Alltag zu spannen:
- Wie lässt sich einordnen, was da auf der Ebene des Nervensystems gerade passiert?
- Wie lässt sich das in die Situation morgen im Büro übertragen?
- Welche bisherigen Erfahrungen sind damit verbunden?
- Welche Glaubens- und Denkmuster hängen damit zusammen?
- Was bedeutet das langfristig?
Um sicher durch die eigene innere Landschaft navigieren zu können, braucht es Übung. Je mehr verschiedene Varianten von Erleben, also Gedanken, Gefühlen und Empfindungen gut gehalten bzw. verändert werden können, desto besser.
Zusammen mit einer körperbezogenen Praxis im Alltag ordne ich diese Herangehensweise unter dem Begriff Embodiment ein. Im Folgenden dazu noch einige Worte, damit du die Bezeichnung besser einschätzen kannst, wenn du ihr mal begegnest:
Embodiment – irgendwas mit Körper
Embodiment wird als Dachbegriff in Natur- und Geisteswissenschaften verwendet, z. B. in Psychologie, Philosophie und Biologie. Dazu kommen in der praktischen Anwendung unzählige Personen aus Martial Arts bis spirituellem Coaching.
Das bedeutet fast zwangsläufig, dass Embodiment – und verwandte Begriffe wie Verkörperung, Verleiblichung, Inkarnation, Körper, Leib, Psyche, Seele u.v.a. – weder klar noch einheitlich von einander abgegrenzt und definiert sind. Interdisziplinäre Diskussionen sind darum schlecht zu vergleichen und oft auch (in sich) widersprüchlich. Außerdem sind die Begriffe in spirituellen Praktiken unterschiedlich eingebettet.
Begegnet man Embodiment, ist darum eigentlich nur eins klar: es geht irgendwie (auch) um den Körper.
Embodiment in der Psychologie
Ist von Embodiment (deutsch etwa: Verkörperung, Körperlichkeit) in der Psychologie die Rede, geht es um die Wirkung psychischer oder mentaler Prozesse auf deinen Körper – und andersherum.
Zwei, die die Verbreitung des Embodiments in der Psychologie kräftig angetrieben haben, Maja Storch und Wolfgang Tschacher, „wollen mit Embodiment ausdrücken, dass Psychologie im Bewusstsein betrieben werden sollte, dass die Psyche immer in einen Körper eingebettet ist“ (s.u. S. 163).
Das ändert den bisherigen Fokus. Entsprechende Methoden und Konzepte stellen den Körper in den Mittelpunkt. Es wird mehr körperbezogen geforscht und das wirkt sich praktisch in Therapie und Coaching aus.
Das ist ein entscheidender Fortschritt, denn im hiesigen Kulturkreis ist und war für viele Bereichen „das Mentale“ (je nach Definition: Geist, Gedanken, mentale Prozesse, Kognition usw.) das Wichtigste. Oder besser gesagt: das einzig Wichtige.
Descartes berühmter Satz „cogito ergo sum“ (quasi: „ich denke, also bin ich“) steht repräsentativ für die Ausrichtung auf das, was wir mit unserem Denken erschaffen. Der Körper wird daneben fälschlicherweise zur nebensächlichen Maschine.
Was Embodiment nicht ist
Nicht neu
Für einige Bereiche revolutionär und trotzdem an sich nicht neu: bereits vor über 2000 Jahren war Hippokrates davon überzeugt, dass das menschliche Herz sich bei Freude ausdehnt und bei Angst zusammenzieht. Noch präziser kennen uralten Praktiken, wie z. B. Yoga, Körper-Geist-Wechselwirkungen.
Leider wird das Wissen aus anderen Kulturen kaum genutzt und nur langsam in „westliche“ Forschung und Praxis einbezogen. Insofern sind neue Embodiment-Ansätze wunderbar, aber mit einem Blick in andere Kulturen manchmal erstaunlich trivial.
Nicht einheitlich und klar definiert
Interessieren dich körperorientierte Ansätze und du möchtest dich z. B. in einem Workshop oder Coaching praktisch mit Embodiment beschäftigen wollen, dann solltest du dir dessen bewusst sein. Hinter jeder Methode oder Technik steckt ein bestimmtes Menschen- und Weltbild. Und das passt nicht immer zu dem, was wir gerade suchen oder brauchen:
Embodiment-Angebote gibt es vor dem Hintergrund *jeder möglichen* Weltsicht. Und das kann der*dem* Einzelnen nützen wie schaden: Teilweise wird z. B. der Einfluss von Gedanken auf den Körper stark betont. So stark, dass auch die Ursache körperlichen Wohlbefindens ausschließlich dort liegt – wie katastrophal ist das für eine Person mit Krebsdiagnose?
Daneben werden Ratschläge wie „Du musst dich nur aufrechter halten!“ und „Kopf hoch!“ der Komplexität einer persönlichen Situation nicht gerecht – selbst wenn sie im Kern Embodiment-Wissen tragen.
Herausforderungen wie Lebenskrisen, Grenzerfahrungen und Probleme, mit denen man partout nicht weiterkommt: Ich kenne keine andere Herangehensweise, die passend angewandt, so schnell wirksam und nachhaltig ist.
Ich hoffe, ich konnte dir einen interessanten Einblick in somatisches Coaching geben. Wenn du es ausprobieren oder noch mehr wissen möchtest, melde dich gerne bei mir!
Quellen
- Tschacher, Wolfgang & Storch, Maja: Embodiment und Körperpsychotherapie. In: Künzler A., Böttcher C., Hartmann R., Nussbaum MH. (eds): Körperzentrierte Psychotherapie im Dialog. 2010.
- Morschitzky, Hans & Sator, Sigrid: Wenn die Seele durch den Körper spricht – Psychosomatische Störungen verstehen und heilen. 2015.