Piktogramm, das eine Person zeigt, die Möll in einen Mülleimer wirft

Schuldgefühle loswerden

Wie du mit deinem schlechten Gewissen umgehen kannst
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Inhaltsverzeichnis

Schuldgefühle überwinden für ein leichteres Leben

Schuldgefühle wird man nicht mal eben zwischendurch los. Sie haben in der Regel gute Gründe und mindestens eine wichtige Funktion.

Wenn es dir also ernst damit ist, deine Schuldgefühle loszuwerden, dann steht am Anfang eine bewusste Entscheidung für einen Perspektivenwechsel. Darauf folgt eine feine Arbeit mit deinen Gefühlen, Gedanken und Empfindungen. Es wird dein Selbst- und Weltbild sowie deine Beziehung zu dir selbst und anderen verändern.

In diesem Artikel gehe ich darauf ein, warum ich die Idee hinter Schuldgefühlen für einen Irrtum halte. Außerdem skizziere ich dir wichtige Aspekte für die Arbeit, die dieser Perspektivenwechsel nach sich zieht.

Die alltägliche Schuld

„Sorry, darf ich mal…oh, Verzeihung…das tut mir Leid…Entschuldigung!“

Andere um Erlass der eigenen Schuld zu bitten ist etwas Alltägliches. Für eine verspätete E-Mail, ein unachtsames Wort, die vergessene Verabredung. Entschuldigen kann man sich eigentlich ständig, ob nun aus Reue oder vorsorglicher Höflichkeit – es findet sich immer etwas.

Ist es nicht faszinierend, wie selbstverständlich das für uns ist?

Schuldgefühle loslassen – wozu eigentlich?

Und dahinter steckt für viele deutlich mehr als  „der gute Ton“ im Miteinander: es geht um den subtilen, impliziten Druck stets darauf zu achten, dass wir uns „unschuldig“ verhalten – im Zweifel lieber angepasst, unauffällig, zurückhaltend und brav.

Und hier liegt das erste Problem: das sind Spuren eines pessimistischen und unterdrückenden Menschenbildes. Der Mensch ist im Grunde schlecht, sündig, egoistisch, triebgesteuert und da sollte man mal lieber aufpassen: am Ende macht man sich noch schuldiger als man ohnehin schon ist. Vor allem wenn du stark religiös geprägt bist oder Erfahrungen mit einer destruktiven Gruppe gemacht hast, kennst du das vielleicht besonders gut.

Bitte verstehe mich hier nicht falsch. Ich bin nicht dafür, dass wir als unfreundliche Monster durch die Welt trampeln und uns nicht darum kümmern, welche Scherben wir hinterlassen. Aber Schuldgefühle sind gewiss nicht das, was uns davon abhält.

Das meine ich damit:

 

Was Schuldgefühle nicht bewirken

Schuldgefühle wirken nicht präventiv

Ein schlechtes Gewissen wirkt zwar auf dein Verhalten. Aber nicht zwangsläufig indem du unterlässt, wofür du dich schuldig fühlst. Du versuchst stattdessen danach, wieder gut zu machen, was du verbrochen hast. Du faltest dich innerlich zusammen und fühlst dich schlecht dabei.

Beispiel: Schuldgefühle nach Fremdgehen

Maja geht fremd und hat Schuldgefühle. Sie organisiert aus schlechtem Gewissen sogar einen Kurzurlaub mit Kim. Es fühlt sich schrecklich an und sie kann es kaum genießen. Ihre größte Angst ist, dass ihr eigentliches Motiv ans Licht kommt: ihre Schuld. Dreimal schlafen, Urlaub vorbei, geschafft.

Wird ihr Schuldgefühl sie zuverlässig in Zukunft davon abhalten fremdzugehen? Nicht unbedingt. Denn das Fremdgehen ist gar nicht ihr Problem. Das war aufregend und irgendwie lebendig, wenn sie ehrlich ist.

Problem sind alleine die Schuldgefühle und denen wird sie künftig gekonnt aus dem Weg gehen: sie wird keinen Urlaub mehr organisieren und sich die Tortur lieber sparen. Vielleicht wird sie sich das Fremdgehen auch irgendwie als gerechtfertigt hinbiegen, schließlich hat Kim ja auch nie Zeit…

Als Präventionsmittel sind Schuldgefühle sehr unzuverlässig und damit ungeeignet.

Schuldgefühle sind kein Mitgefühl

Aber sind Schuldgefühle nicht wenigstens ein Ausdruck von Mitgefühl mit unserem „Opfer“? Und sind sie nicht für eine Wiedergutmachung sinnvoll? Nein, sieh her:

Beispiel: Schuldgefühle nach Streit

Maja beleidigt Kim im Streit. Kim fühlt sich sehr verletzt und Maja schrecklich. Sie fängt an, sich zu entschuldigen. Es zieht unerträglich in ihr, weil sie etwas falsch gemacht hat. Sie lässt sich alles mögliche einfallen, backt einen Kuchen, kauft Konzertkarten…

Ist doch nett, oder?

Jein.

Sehen wir mal genauer hin: während sie Kuchen essen, achtet Maja genau auf jedes Anzeichen dafür, dass Kim ihr vergeben hat. Alles, was sie sagt und tut, richtet sie auf ein Ziel aus: möglichst bald zu sehen, dass sich Kims Stimmung und Gefühle geändert haben.

War da ein Lächeln? Ah gut, Erleichterung. Ist endlich wieder alles gut zwischen uns? Wunderbar.

Kommt dir das bekannt vor? Das ist kein Ausdruck von tiefem Mitgefühl. Das ist ein verzweifelter Versuch, sich selbst besser zu fühlen. Es geht Maja nicht um Kim, es geht ihr vorrangig um sich selbst.

Das heißt nicht, dass Maja Kim nicht liebt. Es heißt aber auch nicht, dass Maja sich in dieser Situation auch nur ein einziges Mal tatsächlich in Kim hinein gefühlt hat, um für Kim da zu sein. Es geht ihr darum, die eigenen Schuldgefühle zu beruhigen.

Was lässt sich stattdessen tun?

Anders mit deinem schlechten Gewissen umgehen: Schuldgefühle loswerden

Selbst- und Weltbild überprüfen

Wer bist du in Beziehungen? Wie wahrhaftig kannst du dich zeigen?

Viele Schwierigkeit in Verbindung mit Schuldgefühlen entstehen durch die Überzeugung nicht liebenswert zu sein so wie man ist. Da bleibt nicht viel mehr außer sich krumm zu machen und hinter viel Fassade zu verstecken und zu hoffen, dass sie nicht bröckelt.

Wenn sie nicht mehr aufrecht gehalten werden kann, bricht durch, was nicht sein darf. Das Schuldgefühl soll es dann wieder gut machen.

Wie ist das bei dir?

Lernen präsent zu bleiben

Statt in Selbstvorwürfe und Schulgefühle auszuweichen, könntest du üben, präsent im Moment bleiben:

  • Du bleibst bei den Gefühlen deines Gegenübers.
  • Du bleibst bei deinen eigenen Gefühlen.
  • Du bleibst bei dir und lässt gleichzeitig dein Gegenüber dein Dasein spüren.
  • Du spürst, was gerade passiert.

Das ist das Mutigste und gleichzeitig Schwierigste, für das du dich entscheiden kannst. Denn du stehst dabei zu dir selbst: „Ja, so war das, ja, genau das wollte ich in diesem Moment, ja, an dich habe ich dabei nicht gedacht“.

Und gleichzeitig kannst du üben so etwas zu sagen (oder zu denken) wie: „Jetzt sehe ich, wie nahe dir das geht. Jetzt verstehe ich, wie rücksichtslos ich auf deine Kosten gehandelt habe. Jetzt möchte ich gerne da sein und Wege dafür finden, dass du mir wieder vertrauen kannst“.

Wie gut haben wir alle gelernt, uns stattdessen in den Mantel der Selbstvorwürfe einzuhüllen, uns kleinzumachen und dabei so zu tun, als würde das eine (vermeintliche) Schuld tilgen. Das ist ironischerweise soviel egoistischer als den Blick zu heben, tief durchzuatmen und ein mitfühlendes Gegenüber zu bleiben.

In deiner Präsenz wirst du wieder handlungsfähig. Du kannst du dich z. B. um dein Gegenüber kümmern. Ob das umarmen oder in Ruhe lassen heißt: was jeweils angemessen ist, erkennst du erst, wenn du bewusst hinsiehst.

Vielleicht kannst du sogar gemeinsam in den Urlaub fahren oder Kuchen essen. Dann aber freust du dich an diesem gemeinsamen Urlaub und genießt den Kuchen auch.

Den Unterschied macht dein innerer Fokus – deine Präsenz und deine Ehrlichkeit.

Deine Angst erkennen

Aber trotzdem noch einmal: Haben Schuldgefühle nicht schon zu weniger Unheil geführt? Zu sanfterem Umgehen miteinander und zu mehr Vorsicht?

Ja, vermutlich. Aber weniger aus Zuneigung, sondern vielmehr aus Angst.

Schuldgefühle bedeuten einen unsicheren Umgang miteinander. Ein schlechtes Gewissen entsteht aus Angst: vor den eigenen Gefühlen oder denen anderer, Angst davor, ausgestoßen zu werden, einsam zu sein usw..

Und es führt in die Angst: denn es gaukelt dir vor, du bräuchtest Schuldgefühle. Hättest du sie nicht, beweise das ja z. B. wie verachtenswert du „in Wirklichkeit“ wärst.

Das schlechte Gewissen soll dann ersetzen, was du glaubst nicht (mehr) zu sein. Schuldgefühle können alles mögliche transportieren:

  • du wärst mangelhaft und nicht liebenswert,
  • du wärst nicht gut genug darin, mit anderen Lebewesen liebevoll zusammen zu leben,
  • deine Wünsche und Bedürfnisse wären weniger wert als die anderer
  • usw.

Und das scheinst du dir dann auch noch zu beweisen: denn so eine Angst blockiert dich, engt dich in deinem Denken und Fühlen ein und verhindert tiefe Begegnungen. Sie schränkt dich schließlich darin ein, freie, wohltuende Verbindungen zu spüren und zu pflegen. War ja klar, sagt das Schuldgefühl…

Du merkst es, oder? Wir drehen uns im Kreis…

Wut einladen

Schuldgefühle drücken dich nieder. Um sie zu überwinden lohnt es sich daher, dich um so mehr aufzurichten. Wut unterstützt als Emotion dafür meistens sehr gut.

Du kannst mit ihr üben dich aufzurichten und auf deiner Seite zu stehen. Ihre Energie trägt dich dabei. Große, raumgreifende Bewegungen können dich unterstützen. Genauso wie Kampfsport und ähnliches

Lass mich an dieser Stelle noch einmal sagen: Es geht hier um eine innere Arbeit mit dir selbst. Sie soll dich dazu befähigen präsent zu bleiben, wenn dich sonst gewöhnlich Schuldgefühle dich. Es geht nicht darum, dass du nichts falsch machst, sondern wie du damit umgehst.

Aussicht auf ein Leben ohne Schuldgefühle

Je mehr du lernst mit dir anders umzugehen, hörst du auf, deine Schuldgefühle zu füttern.

Und siehe da, du wirst feststellen: du brauchst keinen Ersatz für das, was in uns Menschentieren angelegt ist: die Fähigkeit zur Verbundenheit.

Du wirst verlernen, dich schuldig zu fühlen und lernen dich sicher zu fühlen. Und du wirst überrascht sein, wie viel Zuneigung und Mitgefühl in dir steckt. Es sei denn, du hast guten Grund dich zu wehren und deine Krallen auszufahren.

Denn gleichzeitig erkennst du klarer, wen und was du alles nicht magst. Wann du ein „Nein“, statt ein „Ja“ brauchst und welche Beziehungen du nicht mehr führen willst.

Statt mit schlechtem Gewissen zu wiederholen, was du verabscheust, kannst du neue lebendige Wege für dein Leben finden.