Nackte Beine und Füße in transparent-blauem Wasser über steinigem Grund

Wie gut kennst du deine Körper­empfindungen?

Mit strukturierten Fragen dein Spüren erforschen
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Inhaltsverzeichnis

Körperempfindungen sind ein tiefer Zugang zu dir selbst

Du verlierst dich nicht in Gedanken, wenn du dich mit deinem Spüren beschäftigst. Das verhindert zuverlässig, auf einer theoretischen oder oberflächlichen Ebene steckenzubleiben.

Du spürst du in dich hinein und bist dir unmittelbar sehr nah. Du kannst nicht nur innere Zusammenhänge sehen, sondern auch nachhaltig etwas verändern – an der Wurzel deines Erlebens.

Im ersten Schritt lenkst du dafür deine Aufmerksamkeit auf das, was in dir vor sich geht: Du beobachtest. Um darüber zu reden und bewusst damit weiterzuforschen, findest du passende Worte für deine Körperempfindungen: Du beschreibst.

Woran du dich dabei orientieren kannst, erkläre ich dir im Folgenden. Es gibt viel mehr Facetten, als man denkt.

Im zweiten Schritt könntest du erforschen, wie deine Körperempfindungen mit Themen zusammenhängen, die dich beschäftigen und wie du sie für dich nutzen kannst. Im Detail kommt es da auf deine Wünsche und Ziele an:

  • Geht es darum, mit schwierigen Situationen besser klarzukommen?
  • Brauchst du mehr Klarheit für eine Entscheidung?
  • Willst du langfristig eine stabile Beziehung zu dir selbst aufbauen?
  • Etwas ganz anderes?

In diesem Artikel kümmern wir uns deshalb zunächst um Schritt eins: Körperempfindungen beobachten und beschreiben.

Körperempfindungen beobachten

Üben, deine Aufmerksamkeit in dich zu lenken

Zu beobachten, was du spürst, ist nicht kompliziert. Körperempfindungen sind das, was du mit deinem Körper in oder an ihm spürst, z. B. Kälte, Druck oder Kribbeln. Darauf lenkst du deine Aufmerksamkeit.

Für eine allgemeine Bestandsaufnahme bietet es sich an, deinen Körper von oben bis unten zu scannen; ähnlich wie du es vielleicht schon aus Yoga oder Meditationen kennst. Das ist als Übungsroutine geeignet.

Du lenkst deine Aufmerksamkeit zuerst in die Zehen und von dort Stück für Stück bis zu deiner Nasenspitze. Währenddessen beobachtest du, was du spürst. Du kannst aber auch mit einer Empfindung beginnen, die deine Aufmerksamkeit von sich aus fängt, z. B. ein Ziehen in deinem Nacken.

Richtig oder falsch gibt es dabei nicht – es ist deine Reise und dein Experiment. Probiere mal dieses und mal jenes aus und sieh, was passiert.

Spüren kannst du grundsätzlich immer und überall; ob du U-Bahn fährst oder gerade im Bett liegst, ist nicht entscheidend. Oft hilft es, die Augen zu schließen. Das muss aber nicht sein und je stabiler der Zugang zu deinem Inneren ist, desto unwichtiger wird es.

Auch Nichtspüren spüren

Es ist möglich, dass du in manchen Bereichen kaum oder nur schwach etwas spürst. Das kannst du wie eine eigene Körperempfindung behandeln und das Nichtspüren spüren. Zur Beschreibung eignen sich einige der folgenden Fragen.

Wenn du magst, berühre die Stellen, die du nicht spüren kannst. Du kannst diese Bereiche auch stimulieren, bis du etwas empfindest, z. B. durch eine Massage. Das geht bereits weit über ein schlichtes Beobachten hinaus – es kann aber sehr unangenehm sein, nichts zu spüren, darum an dieser Stelle der Hinweis. Folge deinen Impulsen, aber bitte ohne dich selbst zu verletzen.

Allgemein gilt: sollte das Beobachten zu viel für dich sein, höre auf und lenke deine Aufmerksamkeit nach außen. Orientiere und bewege dich und beschäftige dich mit etwas anderem. Widme dich deinen Körperempfindungen erst wieder, wenn du dich sicher und geerdet fühlst und am besten nur in Begleitung.

Körperempfindungen beschreiben

Noch während du beobachtest, beginnst du deine Körperempfindungen zu beschreiben. Worte sind immer unzureichend für das, was du tatsächlich erlebst. Mit Worten machst du die Empfindung aber für dich greifbarer und das ist hilfreich, um bewusst damit zu arbeiten.

Wichtiger als die perfekte Formulierung ist, dass du weißt, was du spürst, wenn du z. B. von „kribbelnder Druck im Knöchel“ sprichst. Folgende Fragen sollen dir helfen, eine annähernd gute Beschreibung zu finden:

Welche Qualität hat die Körperempfindung?

Was kannst du für Eigenschaften wahrnehmen?

  • Temperatur (kalt – warm)
  • Gewicht (schwer – leicht)
  • Oberfläche (rau – glatt)
  • Größe (groß – klein)
  • Ausdehnung (eng – weit)
  • Feuchtigkeit (feucht – trocken)
  • Begrenzung (durchlässig – undurchlässig)

Wie intensiv ist die Empfindung?

  • Intensität (stark ausgeprägt – schwach ausgeprägt)

Sind weitere Sinneswahrnehmungen beteiligt, die nichts mit der unmittelbaren Empfindung zu tun haben?

  • Farben / Formen / Symbole
  • Klang
  • Geruch
  • Geschmack

Wo ist die Körperempfindung spürbar?

Wo spürst du die Empfindung in deinem Körper?

  • Anatomie (z. B. zwischen den beiden untersten Rippen rechts vorne)
  • Ursprung (z. B. im Kiefergelenk rechts)
  • Ende (z. B. im linken großen Zeh)

Geht sie über deinen Körper hinaus?

Welche Bewegung(srichtung) (in) der Körperempfindung gibt es?

Wenn es keine Bewegung gibt, wie ist die Empfindung im Körper?

  • Qualität (z. B. schwebend, verankert, eingebettet, getragen)

Wenn es Bewegung gibt, welche Art von Bewegung ist das?

  • Bewegung innerhalb der Empfindung (z. B. Kribbeln, Pochen, Stechen, Blubbern)
  • Bewegung der Empfindung selbst (z. B. pochender Schmerz wandert durch den Körper)

Wie spürst du die Bewegung?

  • Qualität (z. B. fließend, drückend, schiebend, holperig, sinkend, steigend / ausdehnend – zusammenziehend)

Welche Richtung hat die Bewegung?

  • im Körper(raum) (nach hinten – vorne / nach innen – außen / nach unten – oben / nach rechts – links)

 

Das war der erste Schritt. Spannend, wie genau sich untersuchen lässt, was man spürt, oder? Ich hoffe, meine Fragen helfen und begleiten dich weiterhin. Zum Abschluss ein Ausblick und zwei Anmerkungen für die weitere Arbeit mit deinen gesammelten Informationen:

Mit Körperempfindungen weiterarbeiten

Körperempfindungen und ihre Zusammenhänge nutzen

Hast du deine Körperempfindungen so weit erfasst, kannst du ihre Beziehungen untersuchen. Das bedeutet herauszufinden, was du z. B. gleichzeitig oder nacheinander spürst. Außerdem kannst du anfangen zu erforschen, wie sie mit Ereignissen, Verhalten, Gedanken und Gefühlen zusammenhängen.

Das gibt dir einen tiefen Einblick in die Landschaft deines Erlebens. Du wirst erstaunliche Zusammenhänge finden und unbekannten Gedanken, Gefühlen, Wünsche und Sehnsüchten begegnen.

Das ist die perfekte Grundlage, um weiter zu experimentieren, z. B. mit solchen Fragen:

  • Was verändert sich, wenn ich meine Hand auf meinen Bauch lege?
  • Wie verändert das meine Perspektive auf mein Problem?
  • Was passiert, wenn ich mich bewege?
  • Welche Impulse stecken in meiner Körperempfindung?

Spätestens jetzt wirst du feststellen, wie eigenmächtig und selbstwirksam du bist. Du wirst erfahren, wie du förmlich in dein Erleben hineingreifen kannst. Das ist der Beginn für nachhaltige Veränderung.

Du – und nur du – bestimmst die Bedeutung

Es gibt Ansätze, die Körperempfindungen eine bestimmte psychologische oder spirituelle Bedeutung zuweisen: z. B. würde Druck im Brustkorb so etwas heißen wie „verdrängte Zurückweisung aus der Kindheit“ oder „ein Herz, das der Liebe verschlossen ist“.

Diese Bedeutungen werden dir von jemand anderem auferlegt und das ist anmaßend. Du hast eine individuelle innere Landschaft, die in ihrer Bedeutung nicht nur sehr persönlich ist, sondern sich auch verändern kann.

Gerade, wenn du erst am Anfang deiner Entdeckungsreise stehst, empfehle ich dir, dich von solchen Schemata und Schubladen fernzuhalten – egal wie renommiert der*die Autor*in sein mag.

Es geht nicht darum, Körperempfindungen zu kontrollieren

Du wirst lernen, in dein Erleben einzugreifen. Das liegt einmal daran, dass du über die Arbeit mit Körperempfindungen, Stresszustände regulieren und dich beruhigen kannst. Das ist wichtig und notwendig.

Du kannst deinen Einfluss aber auch dazu missbrauchen, bestimmtes Erleben zu verhindern. Das Ziel ist nicht unangenehme Empfindungen „wegzumachen“ oder starke Gefühle abzuschwächen. Im Gegenteil: Es geht darum, kein Erleben mehr vermeiden zu müssen.

Körperempfindungen kommen und gehen, genau wie Gefühle und Gedanken. Du bist für das Leben in all seinen Facetten gemacht. Das Ziel ist, dass du das spüren kannst.

In diesem Sinne: Neugier und viel Freude mit deinen Körperempfindungen!