Horizontal gedrehtes Bild einer Frau, die sich nach hinten lehnt, vor lila Hintergrund

Dein Körperbild – viel mehr als nur ein Bild

Wie sich Körperschema und Körperbild entwickeln + Anleitung zur Selbstreflexion
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Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Körperbild?

Das Körperbild ist das Bild von dir, das du im Spiegel siehst. Aber das ist nur ein kleiner Aspekt.

Dein Körperbild ist gefüllt mit deinem Erleben, also einer Mischung von Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken und wirkt sich auf dein Verhalten aus. Es entscheidet, wie wohl du dich von innen heraus fühlst, als Bewohner*in* deines Körpers: Mit einem positiven Körperbild ist dein Körper dein Freund und mit einem negativen dein Feind.

Wie dein Körper tatsächlich beschaffen ist, ist zweitrangig. Das kann zwar beeinflussen, wie leicht es dir fällt, Freundschaft zu schließen. Es kann und darf aber nie zur Rechtfertigung für Selbsthass werden.

Mit deinem Körper mindestens eine neutrale Beziehung haben zu können, ist das grobe Ziel der Arbeit mit dem Körperbild. Du sollst dich in deinem Körper zu Hause fühlen können und gerne in dir wohnen.

In diesem Artikel habe ich Informationen dazu zusammengestellt, wie sich ein Körperbild entwickelt und worin es dich beeinflusst. Außerdem findest du unten eine praktische Anleitung, mit der du dein eigenes Körperbild besser kennenlernen kannst.

Wie sich das Körperbild entwickelt

Nach unserer Geburt entdecken wir unseren Körper in der Welt. Das passiert nicht isoliert in uns selbst, sondern im Kontakt mit unserer Umgebung:

  1. Wir lernen unseren Körper wahrzunehmen (Körperwahrnehmung), am besten durch abgestimmten Körperkontakt mit unseren Bezugspersonen.
  2. Wir lernen uns mit unserem Körper zu bewegen (sensomotorische Integration), idealerweise in einer reizvollen, interessanten Umgebung.

Wie ein Körper im Erwachsenenalter erlebt wird, hat die Wurzeln tatsächlich dort, in den ersten Monaten des Lebens.

Vom Körperschema zum Körperbild

Körperschema Definition

Aus den Einflüssen von außen, innen und verschiedenen Erinnerungen entsteht in den ersten zwei Lebensjahren ein Körperschema. Das sind erste innere Landkarten, die den Körper in uns abbilden und mit denen wir ihn von der äußeren Welt unterscheiden können: „das hier gehört zu meinem Körper, das nicht“.

Körperbild Definition

In den darauffolgenden zwei Jahren entwickelt sich der erste Entwurf des Körperbilds. Das ist integriertes und reflektiertes Wissen über den Körper. Damit erkennen und beurteilen wir unseren Körper wie aus der Perspektive einer dritten Person: „das im Spiegel ist mein Bein, nicht das von Mama und es ist kleiner als Mamas Bein“.

Erlebnisse und (eigene) Bewertungen beginnen sich in das Körperbild einzuflechten. Es kommen ständig neue Körpererfahrungen hinzu, die zu mehr oder weniger bewussten Erinnerungen werden.

Anpassung des Körperbilds

Im Laufe der körperlichen Weiterentwicklung, beobachten und vergleichen wir uns. Dabei urteilen wir über uns und die Welt und das Körperbild verändert sich. Wie genau, hängt von diversen Faktoren ab:

  • der Entwicklung des Körpers (z. B. Wachstum),
  • neuem Wissen über den Körper (z. B. Anatomie),
  • Erlebnissen im Kontakt mit anderen Menschen (z. B. Eltern),
  • Bildern in sozialen und anderen Medien (z. B. Instagram, Bücher),
  • usw.

Daraus entsteht ein eher negatives oder eher positives Körperbild:

Negatives Körperbild

Entstehung eines negativen Körperbilds

Unangenehme und bedrohliche Ereignissen lassen uns manchmal schnell glauben, etwas sei mit unserem Körper und deswegen mit uns selbst „nicht richtig“.

Solche Anlässe kennst auch du vermutlich gut:

  • gesellschaftliche Ideale, denen du nicht entsprichst,
  • überwältigende Erlebnisse, die du nicht gut verarbeiten konntest,
  • abwertende Kommentare, die dich verletzt haben,
  • Bezugspersonen, die ihren Körper hässlich finden und von denen du das als Normalität kennengelernt hast,
  • usw.

Ein negatives Körperbild liegt nahe: Offensichtlich ist und funktioniert der Körper nicht so, „wie er soll“. Das Vertrauen in ihn sinkt und so wird die Beziehung zu ihm zunehmend schwieriger.

Unangenehmes Körpergefühl

Ein negatives Körperbild bedeutet grundlegende Unzufriedenheit. Man fühlt sich unwohl, bedroht und nur noch selten zu Hause im eigenen Körper. Verständlich: Wer will schon irgendwo zu Hause sein, wo es unangenehm und bedrohlich ist?

Das beeinflusst den Umgang mit dem Körper, z. B. wie und was gegessen wird, oder ob Situationen vermieden werden, wie z. B. ins Schwimmbad zu gehen.

Das begleitet den Alltag als Körpergefühl und macht alles komplizierter und anstrengend – oder stumpf und leer. Sogar wenn man versucht den Körper zu ignorieren: letztendlich steht man trotzdem ständig latent im Kampf mit ihm und damit mit sich selbst.

Wie sehr das den Alltag beeinträchtigt, hängt davon ab, wie negativ ein Körperbild ist: das reicht von „nicht immer ganz zufrieden“ bis zum Selbsthass und kann auch je nach Kontext schwanken.

Körperbildstörung oder Körperschemastörung: verzerrte Wahrnehmung

Ist ein negatives Körperbild sehr stark ausgeprägt, spricht man von einer Körperbildstörung: die Beziehung zum eigenen Körper ist regelrecht zerrüttet. Bei Körperschemastörungen werden insbesondere Körperproportionen stark verzerrt wahrgenommen.

Das wird oft Gegenstand von Therapien: bei psychosomatischen, psychiatrischen oder neurologischen Diagnosen wie z. B. Anorexia nervosa oder dem Postraumatischen Belastungssyndrom, aber auch bei Krebserkrankungen, Schwangerschaften oder nach Geburten.

Soweit muss es aber gar nicht kommen. Es genügt schon ein Aufwachsen in unserer Kultur und der ganz gewöhnliche gesellschaftliche Alltag – und wir verlieren regelmäßig die freundschaftlich Verbindung zu uns. Zu empfindlich, zu schwach, zu dick, zu groß, zu laut, zu leise, da ist „wirklich etwas nicht ganz richtig“. Je mehr solche Selbstbeurteilungen Normalität geworden sind, umso mehr sollte uns das Sorgen machen.

Positives Körperbild

Genau umgekehrt drückt sich ein positives Körperbild aus – das macht laut der Wissenschaftlerinnen Tracy L. Tylka und Nichole L. Wood-Barcalow folgendes möglich:

  • Selbstfürsorge & Fürsorge für den Körper,
  • Herausfiltern von Informationen, die dem Körper und Körperbild schaden könnten,
  • Intuitives Essen,
  • Wohlfühlen im eigenen Körper,
  • Selbstbewusstsein,
  • Annahme und bewusster Umgang mit einem Körper, der nicht einem bestimmten Ideal entspricht,
  • weites Verständnis von Schönheit, nicht ausschließlich an einem bestimmten Schönheitsideal orientiert
  • Wertschätzung des Körpers, auch bezüglich seiner Funktion und Fähigkeiten,
  • Liebe für den eigenen Körper.

Mit einem positiven Körperbild ist das Leben deutlich einfacher. Man ist im Frieden mit sich selbst, mag den eigenen Körper, kann sich in ihm zuhause fühlen und freundlich mit ihm umgehen.

Wie weit davon entfernt ist dein Körperbild?

Praxis-Anleitung: Wie sieht dein Körperbild aus?

Jetzt geht es darum, dein Körperbild bewusst kennenzulernen. Das kannst du auf drei Ebenen erforschen:

  1. Was siehst du, wenn du dich (im Spiegel) anschaust?
  2. Was erlebst du, wenn du dich (im Spiegel) anschaust?
  3. Was erlebst du, wenn du die Augen schließt und in deinen Körper hinein spürst?

Es geht in dieser Anleitung nicht darum, wie du anders mit deinem Körperbild umgehen kannst oder Veränderung in dein Körpererleben bringst. Das sind weitere Schritte, für die du dein Körperbild schon gut kennen solltest.

Dein Körperbild auf drei Ebenen

1. Dein Körper von außen

Dein Blick ist subjektiv und dich völlig neutral anzuschauen, gelingt deswegen nie. Aber du kannst dich darauf fokussieren, was du siehst, anstatt dich in wertenden Gedanken, Gefühlen oder Empfindungen zu verlieren.

So siehst du dich (im Spiegel) an. Stück für Stück notierst du dir, was du siehst. Zwei Augen, Farbe: blau. Mittellange Haare, Farbe: rot. Nase, Mund, zwei Ohren.

Je emotionaler das Thema Körper für dich ist, desto wichtiger und interessanter kann diese Ebene sein. Sie kann zu einer Art „reality check“ werden und dich daran erinnern, dass du zuerst einfach nur irgendeine Art von Körper hast. Keine große Sache, nicht gut, nicht schlecht.

Distanziere dich konsequent von deinen Bewertungen und beachte sie nicht. Wenn dir das nicht gut gelingt und es dich emotional zu sehr bewegt, experimentiere damit nur in Begleitung.

Diese erste Ebene ist dein Gerüst für die beiden folgenden Ebenen:

2. Dein Körper von außen und von innen

Als Nächstes beobachtest du deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen, während du dich ansiehst.

Deine Bewertungen machst du dir zwar bewusst, beobachtest sie aber nur. Das heißt, du behältst eine ausreichende Distanz zu ihnen, sodass sie dich nicht überwältigen.

Du siehst deinen Körper an und notierst dir für jeden Bereich die Antwort auf die Fragen:

  • Was denke ich dazu?
  • Was fühle ich dabei?
  • Welche Körperempfindungen nehme ich wahr?

Das dient dir als Bestandsaufnahme für deine Verknüpfung von äußerer Erscheinung und innerem Erleben. Deine Notizen zeigen dir deine Landschaft aus Bewertungen. Du wirst darauf deutlich erkennen, wo dein Körper dir Feind und wo er dir Freund ist.

Je schwieriger das für dich ist, desto besser muss deine Fähigkeit sein, dich selbst zu regulieren und zu erden. Auch hier gilt: lass dich dabei begleiten, solange dir das noch nicht alleine gelingt.

3. Dein Körper von innen

Jetzt geht es nicht mehr um das, was du siehst, sondern nur noch um dein Erleben.

Dieses Mal tastest du deinen Körper von innen heraus ab und notierst dir, was du dort entdeckst. Interessant ist z. B.:

  • Wie nehme ich meine Proportionen von innen heraus wahr?
  • Was spüre ich in diesem Bereich?
  • Ist das angenehm oder unangenehm?
  • Entstehen innere Bilder, Formen, Farben oder andere Gedanken?
  • Was fühle ich dabei?

Schließt du deine Augen, unterstützt das wahrscheinlich deinen Fokus Richtung innen. Du kannst sie jederzeit wieder öffnen.

Du gehst jetzt durch die innere Landschaft deines Körpererlebens. Du wirst schnell feststellen, an welchen Orten du dich gerne oder ungerne aufhältst. Manche Bereiche wirst du vielleicht nicht klar wahrnehmen. Das ist dann ein Teil deiner Landschaft, den du vielleicht noch kaum bewusst bewohnst.

Auch hier gilt: Du musst gut auf dich aufpassen können, im Zweifel ist Begleitung besser.

Veränderungen im Körperbild beobachten

Je nachdem wie deine äußeren und inneren Umstände gerade sind, ist dein Körperbild nicht immer dasselbe. Je öfter du die Ebenen deines Körperbilds beobachtest, desto öfter wirst du Unterschiede und Gemeinsamkeiten feststellen – und vielleicht sogar mehrere separate Körperbilder finden.

Individuelle Arbeit mit dem Körperbild

Damit hast du jede Menge Informationen für die weitere Arbeit mit deinem Körperbild gesammelt. Hebe dir deine Notizen gut auf und ergänze sie mit allem, was dir im Alltag dazu auffällt.

Du wirst jetzt wissen, wo auf den drei Ebenen deines Körperbilds etwas nicht so ist, wie du es dir wünschst. Das ist ein guter Einsteig in deine individuelle Körperbildarbeit, z. B. auch im Rahmen von somatischem Coaching.

Die Sehnsucht im Körperbild

Unzufriedenheit mit bzw. im eigenen Körper spiegelt nicht nur bisherige Erfahrungen wider. Es trägt auch Wünsche und Sehnsüchte für die Zukunft in sich: Was bisher nicht so war, wie es sein sollte, soll sich endlich ändern.

Oberflächlich wünschen wir uns vielleicht kleinere Füße oder stärkere Arme. Eigentlich geht es aber nie nur um abstrakte Zahlen und Formen: Es geht um ein neues Erleben.

Zufriedenheit entsteht aus der Beziehung zu uns selbst und zu anderen. Können wir sein, wer und wie wir in der Welt sein möchten? Fühlen wir uns verbunden und geschätzt?

Letztlich geht es so oft darum, endlich mal entspannen zu können, weil wir spüren, dass wir in Ordnung sind und zu dieser Welt gehören dürfen.

Das ist eine große Sache. Kümmern wir uns darum.

Häufige Fragen

Quellen

Zum Konzept und zur Entstehung des Körperbilds sowie zu den Facetten eines positiven Körperbilds:

  1. Riva, Guiseppe: The neuroscience of body memory: From the self through the space to the others. Cortex, 104 / 2018.
  2. Tylka, Tracy L. / Wood-Barcalow, Nichole L.:  What is and what is not positive body image? Conceptional foundations and construct definitions. Body Image, 14 / 2015.
  3. Tylka, Tracy L. / Wood-Barcalow, Nichole L.: The body appreciation scale-2: item refinement and psychometric evaluation. Body Image, 12 / 2015.