Inhaltsverzeichnis
- Einsam und alleine?
- Alleine sein
- Einsam sein
- Einsamkeit als Gegenteil von Verbundenheit
- Ich fühle mich einsam – was bedeutet das?
- Verbundenheit mit sich selbst
- Erste Hilfe bei Einsamkeit
- Einsamkeit und Beziehungen
- Einsamkeit in Kultur und Gesellschaft
- Einsamkeit fühlen in der Kindheit
- Einsamkeit als Tod
- Vermeiden von Einsamkeit als Kind
- Keine Verbindung zu uns selbst
- Einsam trotz Beziehung: keine Verbindung zu anderen
- Kontakt oder Todesangst
- Kein Kontakt, dafür mit sich verbunden
- Wege aus der Einsamkeit finden
Einsam und alleine?
Du fühlst dich einsam und jemand rät dir: „geh mal unter Leute“ – wirkt das nicht irgendwie komisch?
Einsamkeit ist eines der leidvollsten Gefühle und viel zu komplex für diesen Tipp. Einsam kann man auch in einer Menschenmenge sein oder beim Geburtstag der besten Freundin. Alleine zu sein oder sich einsam zu fühlen, sind eben nicht das Gleiche.
Trennen wir beides sauber voneinander, um uns näher damit zu beschäftigen:
Alleine sein
Alleinsein beschreibt Zweierlei:
- mit sich selbst alleine zu sein und
- die Abwesenheit von anderen Lebewesen, also Menschen, aber auch z. B. einem Hund.
Alleine sind wir alle in gewisser Weise: Das eigene Erleben wird immer nur das eigene bleiben. In diesem individuellen Erleben werden wir alleine geboren, leben und sterben wir alleine. Insofern ist alleine mit sich selbst zu sein eine tiefe menschliche Erfahrung und so gesehen kein Problem, das es zu lösen gilt.
Auch de Abwesenheit anderer wird erst unangenehm, wenn uns eigentlich gerade nach Gesellschaft wäre. In der Regel ist es aber für eine gewisse Zeit akzeptabel – es sei denn, es vermischt sich mit Einsamkeit, dann wird es schwierig.
Einsam sein
Einsamkeit definiere ich als das Gegenteil von erlebter Verbindung; oft dicht gefolgt davon, sich verloren, verlassen oder verraten zu fühlen. Unter Einsamkeit kann man jederzeit leiden, unabhängig von der Außenwelt. Es ist ein Gefühl und somit von uns selbst innerlich hergestellt.
Wie ist das, einsam zu sein und was ist daran so unerträglich?
Einsamkeit als Gegenteil von Verbundenheit
Ich fühle mich einsam – was bedeutet das?
Für mich ist Einsamkeit schrecklich. Ich bleibe schnell in Gedanken hängen, die immer zäher und destruktiver werden. Es wird schwer, kalt, starr und merkwürdig taub in meinem Körper. Ich fühle mich innerlich leer und in meiner Verzweiflung gibt es keine Unterstützung, alles wirkt sinnlos. Nichts erreicht mich und ich erreiche nichts. Echter Kontakt zu anderen ist kaum möglich, selbst wenn jemand da ist.
Wie ist das bei dir, erlebst du Einsamkeit ähnlich?
Bin ich verbunden, ist alles anders: mein gesamter Körper ist warm und wohlig, ich fühle mich sicher und präsent. Schwierige Themen lassen mich nicht verzweifeln, meine Gedanken bleiben klar. Ich bin mir meiner Beziehungen bewusst und kann auch mit fremden Menschen gut in Kontakt gehen. Das fühlt sich nach Leben an und ist die (mittlerweile) Basis für meinen Alltag.
Früher glaubte ich, meine Lebensumstände und Beziehungen wären entscheidend für das Gefühl von Einsamkeit. Heute weiß ich, dass das zwar einen Einfluss hat, maßgeblich aber meine empfundene Verbundenheit ist und wie es mir gelingt, mich wieder mit mir selbst zu verbinden.
Darum geht es hier an erster Stelle:
Verbundenheit mit sich selbst
Niemand kann uns vor Einsamkeit bewahren, wir selbst aber können uns zurück ins Leben hinein verbinden – und zwar nur wir selbst. Auch wenn uns andere Menschen dabei unterstützen: sind wir nicht offen dafür, bleibt die freundlichste Umarmung letztlich wirkungslos.
Genau wie Einsamkeit ist Verbundenheit nichts Theoretisches, sondern wird praktisch erlebt.
Erste Hilfe bei Einsamkeit
Erleben geschieht in großem Maße über die Sinne und den Körper. Darum ist es der unmittelbare Weg dort anzusetzen, um zu dir zurück zu finden: Beginne nicht beim Denken, sondern beim Spüren.
Um dich mit deinem Körper zu verbinden, berühre ihn. Kräftig, entschlossen, aber freundlich. Bewege dich frei, wecke dich auf. Sei nicht zaghaft, verstehe es so, als würdest du dich wiederbeleben – von den Zehen bis zu Nasenspitze.
So aufgeweckt und warm hast du die besten Voraussetzungen, um wieder in Verbindung mit der Außenwelt zu treten: Beginne bei Gegenständen, Pflanzen und Tieren. Berühre deine Teetasse, deine Fensterbank, die Blätter deiner Palme, lass einen Marienkäfer über deinen Finger laufen und streichle deine Katze.
Was spürst du, wenn du dich zurück verbindest? Beobachte das. Du holst dich zuerst wieder ins Leben und öffnest dich dann innerlich für die Außenwelt.
Von dort aus kannst du beginnen, dich mit der Verbindung zu anderen Menschen zu beschäftigen.
Einsamkeit und Beziehungen
Mit Verbindungen zu anderen Menschen ist das oft nicht so einfach, denn die ersten Erfahrungen mit Einsamkeit entstehen immer in Beziehungen. Das bedeutet, dass im Kontakt schnell Sorgen in uns berührt werden, wie z. B. wieder verlassen, ausgeschlossen oder verraten zu werden.
Damit bist du nie alleine. Auch wenn es in unseren einsamen Gedanken so scheint, als würden nur wir uns so verloren fühlen: Das ist ein kollektives Phänomen. Vielen anderen geht es ganz genauso.
Einsamkeit in Kultur und Gesellschaft
Machen wir uns nichts vor, in erster Linie sind wir Säugetiere. Wir sind dazu angelegt, im Kontakt mit anderen Säugetieren zu sein. Dazu zählen sicherer Körperkontakt, Austausch und gemeinsames Sein.
Das sollte selbstverständlich zu unserem Leben gehören – tut es aber selten. Fehlt dir das, passt das also sehr gut zu deinem Dasein als Mensch. Es ist gewissermaßen eine in der Evolution begründete Sehnsucht, die auch die Verbindung zu dir selbst nicht kompensieren kann.
Ohne tragende Gemeinschaft werden wir anfällig für faule Kompromisse: „wenigstens eine schiefe Beziehung als gar keine“. Die schlechte Qualität von Beziehungen wird zur Normalität und Kinder wachsen in diesen Mangel hinein.
Diese kollektiv erlebte Einsamkeit hat tiefe Wurzeln, die wir in unserer eigenen Lebensgeschichte finden können:
Einsamkeit fühlen in der Kindheit
Einsamkeit als Tod
Erschütterungen in Beziehungen, insbesondere in den ersten Jahren unseres Lebens, prägen, wie sicher oder unsicher wir Kontakt mit anderen Menschen grundsätzlich empfinden.
Je öfter wir uns damals verlassen und abgewiesen gefühlt haben, desto schneller passiert das auch heute noch. Jeder schiefe Blick, jeder Konflikt oder die Abwesenheit einer anderen Person, holen das Erleben von damals zurück.
Brisant ist das deshalb, weil alleine gelassen zu werden als Kind, tatsächlich eine Lebensbedrohung darstellt. Für ein kleines Kind ist Alleinsein also gleichbedeutend mit Einsamkeit und Einsamkeit mit Todesangst.
Vermeiden von Einsamkeit als Kind
Ein Kind versucht darum zunächst alles, um einen Beziehungsabbruch zu vermeiden. Oft bedeutet das, dass es sich anpasst und so verhält, dass das Gegenüber sich nicht abwendet. Eigene Bedürfnisse und Wünsche werden in den Hintergrund geschoben, wichtig ist nur noch die Beziehung und das Gegenüber.
Zum Überleben funktioniert das oft gut, aber zu einem hohen Preis: Beziehung geht nur, wenn man sich selbst zurückstellt und nicht zeigt. Mit sich selbst verbunden zu sein wird zum Ausschlusskriterium, um Verbindung zu anderen zu erleben.
Entweder wir oder ich.
Keine Verbindung zu uns selbst
Darin verlieren wir unmittelbar die Verbindung zu uns selbst und unserem körperlich-sinnlichen Erleben. Aus dieser Trennung von unserer Innenwelt folgt die typische innere Leere bei Einsamkeit.
Werden derartige Erfahrungen nicht integriert und aktualisiert, bleiben sie bis ins Erwachsenenalter präsent. Da Einsamkeit den Aspekt von Todesangst weiterhin in sich trägt, bedeutet das nach wie vor erheblichen Stress.
Einsam trotz Beziehung: keine Verbindung zu anderen
Gleichzeitig können wir so betäubt keinen erfüllten, echten, tiefen Kontakt mit anderen mehr herstellen – auch die Außenwelt wird unerreichbar.
Gelingt es nicht, Kontakt anders zu gestalten, bleiben Beziehungen dementsprechend unsicher.
Kontakt oder Todesangst
Für manche*n Erwachsene*n ist dann eine unpassende Beziehung trotzdem noch besser, als alleine zu sein: wenigstens etwas lebendig und sicher fühlt es sich an, wenn noch irgendjemand da ist. Umso wichtig wird das, je weniger eine tragfähige Verbindung zu sich selbst besteht. Im Alleinsein wird die Einsamkeit übermächtig.
Kein Kontakt, dafür mit sich verbunden
Andere sind lieber alleine. Sie können dann immerhin Verbindung zu sich selbst aufnehmen und wollen das auch bewahren. Kontakt hingegen fühlt sich danach an, sich auszuliefern. Einsamkeit zeigt sich paradoxerweise vorwiegend im Beisein von anderen Menschen.
Beides ist anstrengend, tragisch und führt dazu, dass wir uns unlebendig, abhängig oder bedrängt fühlen. Egal, wo du dabei stehst: Beziehung kann man lernen. Dich mit dir zu verbinden und diese Verbindung zu halten, ist dafür der Schlüssel.
Wege aus der Einsamkeit finden
Halten wir fest: Einsamkeit ist tief verwurzelt mit unserer individuellen Geschichte und spiegelt sich kollektiv in unserer Gesellschaft wider. Echte tiefe Beziehungen brauchst nicht nur du, sondern wir alle: Sie sind der Stoff, aus dem Gemeinschaft gemacht wird.
Statt „mal unter Leute zu gehen“ ist es meistens wirksamer, zuerst die Verbindung zu dir selbst aufzubauen. Und zwar, indem du dich auf dein körperlich-sinnliches Erleben konzentrierst und dich auf diesem Weg zurück ins Leben holst. Aber das ist nur der erste Schritt.
Als Mensch brauchst du Verbindung zu anderen. Auch wenn du mit deinen Beziehungen bisher eher unzufrieden bist: Stabil verbunden mit dir selbst, kannst du Schritt für Schritt sichtbar und präsent in Kontakt mit anderen Menschen kommen. Dabei wirst du erfahren, wie es ist, sich dabei wohl und sicher zu fühlen.
Ich danke dir sehr für dein Interesse und dafür, dass du dich auf den Weg aus der Einsamkeit machst, um dein Leben, und damit das Leben für uns alle, erfüllter werden zu lassen.